Kolumnen

Geschäftsmodell Gesprächspuff – 04.02.2017

Das Hotel „Galle Face“ in Colombo kommt einer kolonialistischen Fieberfantasie gleich, doch ich bekam kaum Raum, sie zu genießen. In der Bar setzte sich nämlich ein Engländer so knapp neben mich, dass ich seinem Konversationsbedürfnis nicht entrinnen konnte. Er textete mich über das Wetter, das singhalesische Würzverhalten, den Brexit und das richtige Tropenoutfit in einer pausenfreien Wortwurst zu, bis ich winselte: „Gnade, bitte Gnade – waren Sie die letzten zehn Tage in einem Trappistenkloster?“ Touché, fast zumindest. Denn schon hob er zu einer neuen Tirade an, um mir seine Erlebnisse in einem buddhistischen Mediationscamp, in dem zwei Wochen kein Wort gesprochen werden durfte, zu meinem Gin Tonic zu servieren. „Alles klar – wo ist dieser Schweigeschuppen?“, versuchte ich die Sache abzukürzen. Er erläuterte mir ausführlich den Standort mit sämtlichen Verkehrsanschlüssen, ich konterte dem Plauderbegabten mit einem Geschäftsmodell: in Form eines Gesprächsbordells. Gleich neben der Anstalt. Dort dürften verbal Ausgetrocknete dann auf eine schnelle Konversationsnummer zu überhöhten Preisen antanzen, wobei Themengebiete wie  „Wetter und Alltag“ oder „Überlebenstipps in den Tropen“ weitaus günstiger wären wie „Lacan und die Folgen für unsere Ich-Werdung“ oder eine psychoanalytisch zentrierte Antwort auf die Frage, warum Frauen auf Facebook ständig ihre Füße fotografieren müssen. Die Sprechpuppen für mein Talkpuff  würde ich mir in den feinsten Wissenshochburgen Europas rekrutieren, von der Sorbonne abwärts, chinesische Import-Plauderelfen kämen nicht in Frage, erzählte ich dem Engländer, der zunehmend schweigsamer wurde, weil er mich ganz offensichtlich für verrückt hielt. Er sprang auf, pfefferte ein „Nice meeting you“ in die Luft und sprengte von dannen, um sich das nächste gesprächsbereite Opfer klar zu machen. Da fehlten mir einfach nur mehr die Worte!