Kolumnen

„Wir verkühlen uns sehr leicht“ – 12.11.2016

Über den Neid, der sich angesichts Paar-Symbiotikern breit macht. 

„Wir essen sehr gerne nicht zu spät.“ – „Wir fahren immer wieder einfach so ins Blaue.“ –  „Wir mögen keine Austern, lieben aber  Risipisi.“ – „Wir haben kürzlich das Wandern entdeckt.“ – „Leider verkühlen wir uns sehr leicht.“ Es ist schön, wenn zwei Menschen zu einer Einheit verschmelzen, ihre Bedürfnisse zu einem großen Ganzen konzertieren können, in dem Harmonie, tiefste Hingabe und seelischer Gleichklang die Tonart angeben. Begegnungen mit solchen symbiotischen We-People-Paaren machen rabiate Individualisten meiner Natur nahezu neidisch. Triggern natürlich auch Selbstvorwürfe: Hätte man sein Ich nicht immer so frech raushängen lassen, könnte man es jetzt vielleicht auch so Wir-gemütlich haben. Solche Begegnungen machen mich aber auch ein bisschen stutzig. Denn meistens ist die weibliche Hälfte solcher We-People auch das Sprachrohr, während der Mann oft zur – von affirmativem Nicken unterbrochener – Schweigsamkeit neigt. Ab und zu wird der im Ruhemodus Resignierte dann von ihr, der plauderbegabten Dampflok der Beziehung, mit  Sätzen wie „Wir sind heute nicht gerade sehr gesprächig“ getätschelt. Die Dokumentarfilmerin Elizabeth T., die es als TV-Kupplerin zu Ruhm gebracht hat, verriet mir, dass Männer, vor allem wenn sie schon einiges an Drama-Kilometern auf dem Liebes-Tacho hinter sich gebracht haben, am liebsten zu „den Mutti-Typen“ greifen, die den Lebensabschnittspartner mit „einem guten Paperl“ bei der Stange halten und seine Umsorgungsfantasien auf Touren bringt. Die beste Voraussetzung für ein florierendes Wir ist also ganz simpel:  Für seine Bequemlichkeit darf ihr nichts zu anstrengend sein. Keine besonders rosigen Aussichten für ein zwischengeschlechtliches Happy End, denn mein Mutterkomplex steckt noch in den Kinderschuhen. Wir müssen uns also schon einmal kräftig Sorgen machen.