Kolumnen

Auf Echtmenschen-Entzug – 26.07.2025

Es sind zwei Tage vergangen, bis ich einen echten Menschen beim Kundenservice von Amazonien ans Rohr bekommen habe. Mein Konto wurde gesperrt. Trotz einer Kreditkarte „in full swing“. Endlich kein KI-Rudi, der auf meine Verzweiflungs-Ausraster mit monotoner Stimme reagiert: „Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen konnte. Haben Sie sonst noch ein Problem?“ Viele, Rudi-Baby, viele. Zum Beispiel, dass an meiner Windschutzscheibe ein Strafmandat baumelt, obwohl ich ganz streberhaft und „Old school“ einen Parkschein deponiert habe. Nur: der Tarif ist in den letzten Wochen um 20 Cent erhöht worden. Grund genug, findet die Gemeinde, um volle Kanne zu kassieren. Ich versuche auf Durchzug zu stellen, aber mein Aggressionsmanagement ist nach oben noch sehr weit offen. Auch der Echtmensch-Amazonienkundenberater zwingt sich Freundlichkeit ab. Anfangs. Ich frage ihn, warum dieses Unternehmen nicht in der Lage ist, mit seiner Klientel in einen analogen Kommunikationsmodus zu treten. Im Telefonschleifen-Labyrinth „Wenn Sie ein Problem mit einer Bestellung haben, dann drücken Sie die Eins …“, gibt man irgendwann auf. Der Echt-Amazone beginnt loszuschimpfen. Ich habe völlig Recht. Das sei auch ein echter Scheißverein, für den er da arbeite: „Diese Typen sind völlig isoliert. Wir kommen auch nicht an die ran. Keine Ahnung, wo die wohnen. Vielleicht auf dem Mars.“ Gut möglich, dorthin veranstalten sie ja immer wieder kleine Ausflüge. Der Mann, der wahrscheinlich mies bezahlt in einem Callcenter in der Pampa sitzt und von seiner Frau häufig gesagt kriegt, dass sie sich ihr Leben auch anders vorgestellt hat, rudert in einem echten Burnout. Ich versuche ihn, aufzurichten: „Schauen Sie, aber dafür ist der Job sicher. Sie dürfen sich von Menschen wie mir nicht völlig aus der Balance bringen lassen …“ Am Ende schluchzt er in den Hörer: „Ich kann einfach nicht mehr.“ Meine Welt ist hingegen wieder in Ordnung, denn es menschelt endlich so richtig.