Kolumnen

Gute Reise, Mrs. Jones! – 25.02.2017

Ich hatte sie über die Jahrzehnte aus den Augen verloren, dabei hatte ich ihr soviel Wien zu verdanken gehabt, als ich Anfang 20 aus dem Provinzstädtchen in die Stadt gespült kam. Ich berichtete damals für eine popelige kleine Kunstzeitung vom Galeriegetriebe. In ihre Umarmung purzelte ich, weil sie die Anwaltskanzlei ihres völlig unanwaltigen Gatten damals abends kurzerhand zu einem Spielplatz umfunktionierte. Dort gab es Ausstellungen von Särgen. Schnulzenduette mit Christian Ludwig Attersee. Fluxus-Happenings, wo Menschen sehr deutlich mit ihren Emotionen umgingen. Viele grüne Doppler mit diesem leicht säuerlichen Wein. Liptauerbrote von Unterarmlänge. Aus irgendwelchen Gründen nannte sie mich „Eddie-Mausi“. Ich konnte nie herausfinden warum, aber ich mochte es. Ein offenes Haus unter Dauerstrom. Sie trug die abartigsten Leopardenmützen auf ihren streichholzkurzen knallroten Haaren und bunte Broschen, die ununterbrochen blinkten. Konnte singen wie Nina, Ella und Etta, veranstaltete deswegen aber keinen Theaterdonner. So geht Dasein, dachte ich mir damals. Laut, bunt und ständig. Wahrscheinlich habe ich selten jemanden getroffen, dessen Lebensenergie und -lust eine höhere Bluttemperatur besaß. Ich konnte es nicht fassen, als unter dem Facebook-Profil ihrer Tochter eine Kerze brannte und sie von ihrer unendlichen Trauer schrieb, weil die Familie die Mama nach langer Krankheit gehen lassen musste. Und sich bei den  vielen Menschen bedankte, die ihre letzten Tage über noch im Spital waren und in Erinnerungen und Schnaps schwelgten. Wie gern wäre ich dabei gewesen, um Danke zu sagen für diese irrwitzigen Abende in den frühen Achtzigern, von denen man damals glaubte, sie würden niemals enden. In der  Riemergasse war es so warm, anarchisch, lustvoll, produktiv, antiprovinziell und energetisch. Ich zehre bis heute davon. Gute Reise, wunderbare Christine Jones! Und misch uns den Himmel ordentlich auf!