„Ich verhalte mich bei ihm total gechilled“, sagte Lara mit zarter Verzweiflung im Stimm-Souterrain. Sie war geschätzte 23 und unüberhörbar. Beim kleinen Italiener am Rochusmarkt stehen die Tische nämlich so dicht nebeneinander, dass Konversations-Hörspiele quasi als Beilage zur Pasta serviert werden. „Also literally gechilled“, fuhr sie fort, „completely laid back. Keine Fragen wie ‚Was ist das jetzt für dich?‘ oder so. Nur kein Druck. Da ist er sehr sensitive.“ „Versteh’ ich total“, kam es von der Freundin, die den identen Lippenschneider und Wimpern-Architekten haben dürfte, „da muss man extrem cautious sein. Ich habe kürzlich meinem Bumble-Date in der Früh geschrieben: ‚Good morning, sunshine.‘ Was den voll in die Krise gestürzt hat.“ Diese jungen Frauen sehen neuerdings wie aus Frankensteins Beauty-Labor aus. Sehr hübsch und sehr austauschbar. „How come, Jenny??“ wollte Lara jetzt wissen. „Na, weil solche Ansagen für ihn zu sehr nach Commitment riechen. Und er ist jetzt nicht soweit. Außerdem lebt er so oder so nur poly.“ Holy poly! Das polyamouröse Element, früher auch simpel freie Liebe genannt, gehört ja inzwischen zur emotionalen Standardausstattung gediegener Hipsteratis. Was für ein Insalata emozionale, dachte ich mir und fragte den Fortpflanz am Telefon später, ob diese Glacéhandschuhe inzwischen zum Fixaccessoire in zwischengeschlechtlichen Beitrittsverhandlungen gehören. „Es gibt viele Grauzonen, Mama“, sagte sie in einem Ton, den Lehrer bei hoffnungslosen Fällen anwenden, „das klassische f.z. war gestern.“ F.z. steht für fix zam. Sie befände sich gerade in einer suprigen Nicht-Beziehung. „Und was macht da den Unterschied zu einer Beziehung?“ – „Wir brauchen keine Etiketten, es gibt keine Besitzansprüche, jeder macht sein Ding.“ Das Gespräch riss jählings ab, denn die Nicht-Beziehung hatte gerade reingeklingelt. „First things first“, sagte das Kind nur, ehe es aus der Leitung stob. So eine Nicht-Beziehung duldete offensichtlich keinen Aufschub.